Manuskripte 2025

Kirchentag in Hannover

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Sperrfrist
Sa, 03. Mai 2025, 09.30 Uhr

Sa
09.30–10.30
in englischer Sprache / in English
Bibelarbeiten am Samstag | Bibelarbeit
Bibelarbeit | Mariann Edgar Budde
Mut zum Aufbruch | Matthäus 28,1-10
Redemanuskript auf deutsch

Einleitung:

Jedes der vier Evangelien über das Leben Jesu erzählt die Geschichte des ersten Ostermorgens auf seine eigene Art und Weise. Sie stimmen in vielen Details nicht überein - wer war da, mit wem sprachen sie, was wurde ihnen gesagt und wie reagierten sie?

Nach dem Ostermorgen berichten die Evangelien von einer kurzen Zeitspanne, in der Jesus den Jüngern nach seiner Auferstehung wiederholt erscheint. In einigen der Geschichten wird deutlich, dass sein Erscheinen für die Jünger eine mystische Begegnung ist, in anderen wird seine physische Präsenz betont. Er besteht darauf, dass sie ihn berühren dürfen; er setzt sich zum Essen hin.

Aber in allen Geschichten über die Auferstehung Jesu gibt es nicht den geringsten Hinweis darauf, dass Jesus von den Toten auferstanden ist, um das Leben wie zuvor wieder aufzunehmen. Seine Anwesenheit ist nicht konstant, sondern episodisch und unvorhersehbar. Er bleibt nicht lange. Oft verschwindet er aus dem Blickfeld.

Wenn wir uns also den Berichten über die Erfahrungen der Jünger mit der Auferstehung Jesu nähern, wird deutlich, dass sie nicht das Leben beschreiben, wie wir es kennen. Vielmehr versuchen sie zu vermitteln, wie es sich anfühlt, einen Blick in eine ganz andere Dimension des Lebens zu werfen. Die Kraft liegt nicht in den Details der Geschichten selbst, sondern in dem, was sie zu vermitteln versuchen:
die Erfahrung und die Hoffnung, die den Kern des christlichen Glaubens ausmachen. Wie es sich anfühlt, eine Begegnung und eine Beziehung mit dem auferstandenen Jesus zu haben.

Nach dem Sabbat, als der erste Tag der Woche anbrach, gingen Maria Magdalena und die andere Maria, um das Grab zu sehen.

Am ersten Ostermorgen sind sich alle vier Evangelien einig, dass einige der Jünger Jesu zum Grab gingen, in das sein Leichnam nach der Kreuzigung gelegt worden war. Die ersten, die gingen - auch hier stimmen alle Berichte überein - waren die Frauen seiner Bewegung. Im Matthäus-Evangelium werden sie als Maria Magdalena und die andere Maria bezeichnet. Sie gingen, wie Matthäus berichtet, "als der Tag anbrach".

Symbolisch gesehen ist das anbrechende Licht eine Erinnerung an das, was die Psalmisten sagen: "den Abend lang währt das Weinen, aber des Morgens ist Freude." (Psalm 30:5) Es wird oft gesagt, dass die dunkelste Stunde vor der Morgendämmerung liegt. Aber jeder Tag bringt die Verheißung eines neuen Anfangs. Wie die Weisen am Anfang des Matthäus-Evangeliums, die dem Stern zum Christuskind folgen, folgen die Frauen dem Licht der Morgendämmerung zum leeren Grab.

Damit die Frauen im Morgengrauen aufbrechen konnten, mussten sie sich aus ihren Betten erheben, als es noch dunkel war, was wiederum daran erinnert, dass das, was im Licht erscheint, seinen Ursprung in der Dunkelheit hat.

Gott lädt uns ein, aufzustehen und dem Licht des neuen Lebens entgegenzugehen, solange es noch dunkel ist, bevor wir überhaupt wissen, dass ein neues Leben auf uns wartet.

Das Johannesevangelium hebt das Wechselspiel zwischen Dunkelheit und Licht noch deutlicher hervor als die anderen drei. Erinnern Sie sich, dass uns bei Johannes gleich zu Beginn gesagt wird, dass "Gott Licht ist und in ihm ist keine Finsternis" Und am Ende erzählt uns Johannes, dass Maria Magdalena aufstand und zum Grab ging, "als es noch dunkel war".

Die dunkelste Stunde ist vor der Morgendämmerung. Aber wenn die Morgendämmerung kommt, füllt sie das, was einst dunkel war, mit der Möglichkeit eines neuen Tages.

Wann wurden Sie  aufgefordert, sich in der Dunkelheit zu erheben, um dem Licht der Morgendämmerung entgegenzugehen?
Wo könnte das Licht der Morgendämmerung Sie oder uns alle als Menschheitsfamilie jetzt rufen?
Wo in Ihrem Leben oder in unserem gemeinsamen Leben ist es noch dunkel?
Wäre es nicht an der Zeit, aufzustehen, solange es noch dunkel ist, damit Sie und wir bereit sind, wenn das Licht kommt?

Im Markus- und Lukasevangelium heißt es, dass die Frauen die heilige Arbeit der Salbung des Leichnams Jesu für die Bestattung verrichten wollten, die ihnen am Tag seines Todes wegen des Sabbats verboten war. Aber in dieser Version gehen sie nur, um das Grab zu sehen, aus demselben Grund, den Johannes in seinem Bericht nennt. Maria Magdalena stand allein auf, als es noch dunkel war, um das Grab zu sehen.

In allen Berichten wird von Frauen berichtet, die früh am Morgen aufstanden, sobald es ihre religiösen Bräuche erlaubten, um das Grab zu sehen, in dem Jesus begraben worden war. 

Glauben Sie, dass sie sich mutig fühlten, als sie zum Grab gingen?
War es ein Akt des Mutes, an den Ort zu gehen, an dem ein Gekreuzigter begraben war?

Die Kreuzigung, so sagt man uns, war eine Hinrichtungsart, die die Römer Aufständischen - also denjenigen, die versuchten, die römischen Herrscher zu stürzen - und entlaufenen Sklaven vorbehalten haben. Sind sie also am frühen Morgen mutig aufgebrochen?

Im Rückblick auf ihre Entscheidung, zum Grab zu gehen, würden wir sagen, dass sie die Mutigen waren. Die Männer waren verständlicherweise alle in Angst um ihr Leben geflohen.

Ich bezweifle jedoch, dass die Frauen mutig waren, als sie sich in der Dunkelheit aus ihren Betten erhoben, um so schnell wie möglich aufzubrechen. Ich stelle mir vor, dass sie nach den schrecklichen Ereignissen der vorangegangenen Tage und dem Trauma, jemanden, den sie liebten und dem sie nacheiferten, auf so grausame Weise hingerichtet zu sehen, noch immer trauernd und tief geschockt waren, ohne die Möglichkeit, sein Leiden zu verhindern.

Nach zwei Versionen der Geschichte gingen sie dorthin, weil es endlich etwas gab, was sie für ihn tun konnten. Sie konnten seinen Leichnam richtig salben. In zwei anderen Berichten, darunter auch in dem, der uns heute vorliegt, gingen sie einfach, weil sie seinem Leichnam nahe sein und das Grab sehen wollten.

Mutige Handlungen, das, was wir als mutig oder kühn bezeichnen, werden selten so erlebt, zumindest nicht am Anfang. Wir gehen, wie die Frauen, weil wir uns irgendwie berufen fühlen, oder einfach, weil uns nichts anderes einfällt, was wir tun könnten.

Ich frage mich, ob Sie sich an eine Zeit in Ihrem Leben oder im Leben einer Ihnen nahestehenden Person erinnern können, in der Sie oder diese Person einen ähnlichen Impuls verspürten, sich zu bewegen, zu gehen, sich bemerkbar zu machen, einfach weil Sie dort sein mussten. War es mutig, das zu tun? Hielten andere Sie für mutig?

Und siehe, es geschah ein großes Erdbeben. Denn ein Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat hinzu und wälzte den Stein weg und setzte sich darauf. Seine Erscheinung war wie der Blitz und sein Gewand weiß wie der Schnee. Die Wachen aber erbebten aus Furcht vor ihm und wurden, als wären sie tot.

Diese Details sind einzigartig im Matthäus-Evangelium. In keinem anderen Bericht ist von einem Erdbeben die Rede oder davon, dass ein Engel vom Himmel herabkam, den Stein zurückwarf und sich darauf setzte. Auch die Anwesenheit von Wächtern am Grab wird in anderen Versionen nicht erwähnt.

Es ist für uns unmöglich, die historische Genauigkeit solcher Details zu überprüfen. Wir können jedoch über ihre symbolische Bedeutung nachdenken. Die Auferstehung Jesu wurde durch ein dramatisches Naturereignis eingeläutet, und die Beseitigung des Steins wurde durch die Anwesenheit eines mächtigen Engels erklärt, der vom Himmel herabsteigt. Und es werden Wächter erwähnt - Soldaten, die das Grab bewachen, und sie zittern vor Angst. Später heißt es bei Matthäus, dass sie hingehen und alles berichten, was geschehen ist, und dass sie von ihren Vorgesetzten angewiesen werden zu sagen, dass die Nachfolger Jesu den Stein entfernten und seinen Leichnam stahlen, was die Gegner der ersten Auferstehungszeugen wohl auch glaubten.

Wenn wir versuchen, die wirklich transformierenden Momente im Leben zu erklären, greifen wir oft auf Bilder aus der Natur zurück. Welche Art von Erfahrung könnten Sie mit einem Erdbeben vergleichen? Der amerikanische Autor Bruce Fieler verwendet den Begriff "Lebensbeben" (life quake), um Erfahrungen zu beschreiben, die so dramatisch sind, dass das Leben danach für immer verändert ist. Gibt es solche Momente in Ihrem Leben, die Ihnen in den Sinn kommen?

Die Beseitigung des Steins am Eingang des Grabes ist ebenfalls von großer symbolischer Bedeutung. Denn ein solcher Stein ist so schwer, dass es eine enorme Kraftanstrengung erfordern würde, ihn zu entfernen, die weit über die Fähigkeiten von ein oder zwei Personen hinausgeht. Doch als sie am Grab ankommen, wird der Stein für sie weggenommen. Wie fühlt es sich an, wenn etwas so Großes und scheinbar Unbewegliches für uns bewegt wird?

Denken Sie daran, dass dies keine Geschichte ist, die das Leben, wie wir es kennen, beschreibt, sondern eine, die versucht zu beschreiben, wie es ist, einen Blick in eine andere Dimension des Lebens zu werfen und die gelebte Erfahrung des christlichen Glaubens zu beschreiben.

Aber der Engel sagte zu den Frauen: "Fürchtet euch nicht!"

Die ersten Worte des Engels an die beiden Marias sind das, was Engel fast immer sagen, wenn sie in den Evangelien erscheinen: Habt keine Angst. Es deutet darauf hin, dass die Begegnung mit einem Engel, einem Boten Gottes, eine beängstigende Erfahrung sein kann, oder zumindest eine erschreckende, besonders wenn dieser Engel gerade einen großen Stein weggerollt hat und darauf sitzt.

Manchmal, wenn jemand zu uns spricht, dann mit der Kraft eines göttlichen Boten. Die Wirkung auf uns kann so sein, als ob ein Erdbeben stattgefunden hätte.

Der Engel fährt fort:
Ich weiß, dass ihr Jesus, den Gekreuzigten, sucht. Er ist nicht hier; er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt und seht die Stätte, wo er gelegen hat; und geht eilends hin und sagt seinen Jüngern: Er ist auferstanden von den Toten. Und siehe, er geht vor euch hin nach Galiläa; da werdet ihr ihn sehen. 

Das sind eine Menge Informationen, die die Frauen verarbeiten müssen:

  • Sie suchen nach Jesus. Er ist nicht hier. Er ist auferweckt worden.
  • Geht schnell und sagt es den Jüngern. (Ich könnte das Wort andere einfügen. Geht und sagt es den anderen Jüngern, denn die Frauen waren sicher auch seine Jünger).
  • Er ist von den Toten auferstanden. Er geht vor euch her nach Galiläa. Dort werdet ihr ihn sehen.

Es gibt dieses Gefühl der Dringlichkeit. Es ist etwas passiert. Jesus ist von den Toten auferstanden. Er geht vor euch her. Sagt es den anderen.

Etwas Ungeheures ist geschehen, und sie sollen nun die Boten sein. 

Die Frauen machen sich also auf den Weg, mit Angst und großer Freude.

Sie begannen ihre Reise in Trauer. Jetzt bereiten sie sich in Angst und großer Freude auf die Reise vor - zwei starke, scheinbar widersprüchliche Gefühle.

Fühlen sie sich mutig und kühn, als sie sich auf den Weg machen? Vielleicht. Oder sind die anderen Gefühle so überwältigend, dass sie sie vorwärts treiben?

Klar ist, dass sich die Welt, die sie einst kannten, und alles andere verändert hat. 

Es gibt noch mehr:
Und siehe, da begegnete ihnen Jesus und sprach: Seid gegrüßt! Und sie traten zu ihm und umfassten seine Füße und fielen vor ihm nieder. Da sprach Jesus zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Geht hin und verkündigt es meinen Brüdern, dass sie nach Galiläa gehen: Dort werden sie mich sehen.

Zuerst der Engel. Jetzt erscheint ihnen Jesus, als sie das Grab verlassen. In der Erzählung des Matthäus können sie ihn berühren. Vergleichen Sie diese Beschreibung mit der des Johannesevangeliums, in der Jesus zu Maria Magdalena sagt: "Rühre mich nicht an!" In dieser Version halten sie sich fest, bis er wiederholt, was der Engel ihnen zuerst gesagt hatte:
Fürchtet euch nicht! Geht hin und verkündigt es meinen Brüdern, dass sie nach Galiläa gehen: Dort werden sie mich sehen.

Die Frauen sind die ersten Zeugen und die ersten Boten der Auferstehung. Und ihre Aufgabe ist es, hinzugehen und es den anderen zu sagen, und mit ihnen nach Galiläa zurückzukehren.

Jesus ist von den Toten auferstanden, aber es gibt keinen Hinweis darauf, dass er zurückgekehrt ist, um sein Leben wieder aufzunehmen. Dies ist eine Wirklichkeit. Er war tot. Jetzt ist er lebendig, aber auf eine neue Weise. Auch auf die Jünger wartet eine andere Art von Leben.

Welche Erfahrungen haben Sie gemacht, als Ihnen ein neues Leben geschenkt wurde, nachdem ein Teil von Ihnen gestorben war? Was war anders an diesem neuen Leben?

Die Bedeutung von Galiläa:

Es ist ein Ort der Zuflucht, weit weg von den Gefahren Jerusalems.
Es ist der Ort, an dem ihr Dienst mit Jesus begann.
Es ist der Ort, an dem Jesus zum ersten Mal Menschen lehrte, heilte und nährte und eine auf Liebe basierende Bewegung begann.

In diesem neuen Leben sollten sie zu ihren Wurzeln zurückkehren, zurück zu den Lehren, zurück zu allem, was er sie gelehrt hatte. Es ist die Einladung des Verfassers des Evangeliums an uns, zum Anfang seines Evangeliums zurückzukehren und alles, was wir dort finden, wieder und wieder zu lesen und unser Leben im Licht und in der Liebe Jesu zu leben. 

Bei der Auferstehung kehren wir nicht in das Leben zurück, wie es vorher war. Aber alles, was in unserem Leben vor dem Tod war, steht uns auf neue Weise zur Verfügung. Das Leben wird verändert, nicht beendet.

Abschließende Überlegungen:

Die Auferstehung ist für uns kein einmaliges Ereignis. Es ist eine Reise des Erwachens und der Erfahrungen, ein Prozess des Übergangs vom Tod zum Leben, von der Trauer zur Freude, von der Angst zum Mut.

In einigen christlichen Schulen besteht der Sinn des Lebens Jesu darin, zu uns zu kommen und für uns zu sterben, als notwendiges Opfer für unsere Sünde, damit wir das ewige Leben erlangen, das uns sonst verwehrt bliebe, vorausgesetzt, wir glauben an ihn.

Ja, Jesus ist für uns gestorben. Aber er hat auch für uns gelebt. Er kam, um uns zu zeigen, wie wir leben und wie man liebt. Durch die Rückkehr nach Galiläa werden die Jünger daran erinnert, alles festzuhalten, was er sie dort gelehrt hat, wer er für sie war, als er noch lebte.

Seine Lehren, seine Art zu lieben, während er lebte, sind ebenso wichtig wie sein Tod. Seine Auferstehung vom Tod ist eine Bestätigung all dessen, was er lehrte und wer er war, als er lebte.

Als sie in Galiläa ankamen, hatten sie laut Matthäus eine letzte Erfahrung mit Jesus, der ihnen das gab, was wir als den Missionsbefehl kennen:
Darum gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.

Dieselbe Verheißung gibt er uns, wenn wir das Geheimnis des Glaubens leben und - so kühn wie möglich - den Weg der Auferstehung gehen.

Jesus lebte, um uns zu zeigen, wie man liebt. Er ist gestorben, um uns zu vergeben, wenn wir es versäumen zu lieben. Er ist auferstanden, um uns zu versichern, dass es ein Leben nach dem Tod gibt, und um immer bei uns zu sein. Seine Gegenwart ist nicht passiv, sondern aktiv. Er ist hier, um uns zu inspirieren, zu leiten, zu vergeben und uns zu befähigen, so zu lieben, wie er liebt, und zu vergeben, wie er vergibt.


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