Eine Straße für die Menschenrechte

Nürnberg kennenlernen

Mahnmal, Lernort, Kulturstätte - sehenswert für jedes Alter und jede Herkunft

Zwischen grauen Säulen laufen Jugendliche umher. Immer wieder schauen sie suchend nach oben, lesen eine Inschrift in Deutsch und rätseln, um welche Sprache es sich bei der zweiten handelt. 27 Rundpfeiler, die je einen Menschenrechtsartikel in deutscher und einer anderen Sprache tragen, ein Torbogen, zwei Bodenplatten und eine Säuleneiche machen Nürnbergs Straße der Menschenrechte zu einem starken Mahnmal und gleichzeitig zu einem Lernort für Menschen jeden Alters und unterschiedlicher Herkunft.

Es gibt zahlreiche Angebote für Schulklassen und Jugendgruppen, die das Kunstwerk mit Leben füllen. Die jungen Menschen diskutieren, was die Menschenrechtsartikel in der heutigen Zeit und für ihr eigenes Leben bedeuten, und suchen Säulen in der eigenen Muttersprache – 30 Sprachen, von Jiddisch über Roma bis zu Tibetisch, sind in der Installation zu finden.

Zeigt nicht die Tatsache, dass dieses Werk sich nahe dem Ort der Reichsparteitage befindet, den Sieg des Menschen über den Nazismus?
Dani Karavan

„Ein Auftrag für die Zukunft“

Seit ihrer Eröffnung 1993 ist die Straße der Menschenrechte, die den Eingang des Germanischen Nationalmuseums erschließt und eine Verbindung zwischen Kornmarkt und Stadtmauer schafft, für Nürnberg und seine Bürger:innen ein symbolträchtiger Ort geworden. Hier essen, trinken und feiern mehrere tausend Menschen alle zwei Jahre bei der Friedenstafel, wenn Nürnberg seinen Internationalen Menschenrechtspreis verleiht. Der benachbarte Kornmarkt bietet immer wieder den passenden Raum für Demonstrationen für Vielfalt und Toleranz. „Die Straße der Menschenrechte ist unser täglicher Auftrag für die Zukunft“, beschreibt Oberbürgermeister Marcus König die Kraft des Ortes.

Als mit der Erweiterung des Germanischen Nationalmuseums die Kartäusergasse aufgewertet werden sollte, überzeugte der israelische Künstler Dani Karavan mit seinem Entwurf für eine Straße der Menschenrechte. Er setzte einen neuen Akzent in der vormaligen Stadt der NS-Reichsparteitage, aber auch der Stadt, die Schauplatz des internationalen Militärtribunals und damit Keimzelle einer internationalen Strafgerichtsbarkeit war. „Zeigt nicht die Tatsache, dass dieses Werk sich nahe dem Ort der Reichsparteitage befindet, den Sieg des Menschen über den Nazismus?“, fragte Dani Karavan bei der Eröffnung.
 

Auszeichnung für mutige Stimmen

Die Straße der Menschenrechte bildete auch den Ausgangspunkt für die vielfältigen Menschenrechtsaktivitäten der Stadt, beginnend beim Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreis. Seit 1995 sind vierzehn Einzelpersonen oder Gruppierungen mit dem mit 15.000 Euro dotierten Preis ausgezeichnet worden. Alle von ihnen machten und machen sich unter großem persönlichen Risiko für die Durchsetzung der Menschenrechte stark. Als 15. Preisträger wird am 24. September 2023 der Kenianer Malcolm Bidali die Preisstatue, die das Eingangstor zur Straße der Menschenrechte darstellt, entgegennehmen. Der Blogger ist eine mutige Stimme, die sich gegen den Missbrauch und die Ausbeutung von immigrierten Arbeitskräften in Katar und in vielen anderen Ländern der Welt richtet.

„Kommunale Menschenrechtsarbeit ist nicht allein die Umsetzung abstrakter grundrechtlicher Normen“, sagt Martina Mittenhuber, die Leiterin der Stabsstelle Menschenrechtsbüro und Gleichstellungsstelle der Stadt Nürnberg. „In der Stadt als der unmittelbaren Lebens- und Arbeitswelt von Menschen hat engagierte Menschenrechtsarbeit ganz konkrete Auswirkungen auf die Lebenswirklichkeit, denn sie behandelt die existenziellen Fragen eines von Humanität, Toleranz und Respekt geprägten Zusammenlebens.“
 

Ehrenbürgerwürde für Dani Karavan

Am 21. Oktober 2018 verlieh die Stadt Nürnberg Dani Karavan die Ehrenbürgerwürde. Eine besondere Geste: Karavan war kein Bürger der Stadt Nürnberg, er hat hier auch nie gelebt. Und er nahm die Würdigung als ein israelischer Jude, der einen Teil seiner Familie in der Shoa verloren hatte, von einer Stadt an, in der die Rassegesetze des NS-Regimes verkündet wurden. Am 29. Mai 2021 starb der Künstler im Alter von 90 Jahren in Tel Aviv.

In Nürnberg bleibt sein Wirken in der Straße der Menschenrechte lebendig. Die Besucher:innen des Kirchentages werden dem Kunstwerk vielfältig begegnen: bei Veranstaltungen wie dem „Gedenken zum Beginn“, auf dem Weg zum Zentrum Menschenrechte im Germanischen Nationalmuseum oder einfach beim Durchlaufen. Auf jeden Fall lohnt sich ein Blick auf die Säulen und den Text, der auf ihnen verewigt ist.

Text: A. Böckel / Stadt Nürnberg

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