Sarah Döbler, Theologin, Queerhessen-Waldeck, Marburg
Dr. Christina Ernst, blinde Pastorin, Hannover
Kurzes Votum:
Wir laden Euch nun ein: Machen wir uns gemeinsam mit zwei Frauen auf den Weg. Es ist der Ostermorgen. Sie haben Sehnsucht, sie wollen Jesus nahe sein und gehen zu seinem Grab. Auch wir wenden unsere Herzen und Gedanken Gott zu und bitten: Sei uns nahe und segne unsere Gemeinschaft.
Lied: Meine Hoffnung und meine Freude (Taizé; EG+ 109)
1. Block. „dann sind sie so wie tot“ (Matthäus 28,1-4)
Bibeltext (Kirchentagsübersetzung – Leichte Sprache):
Die neue Woche fängt an.
Alle denken:
Jesus ist tot.
Jesus ist in einem Grab.
Zwei Frauen gehen zum Grab. Beide heißen Maria.
Die Frauen gehen zum Grab. Am Grab geschieht es dann:
Es wird sehr laut.
Und die Erde bewegt sich.
Dann kommt ein Bote von Gott: ein Engel. Der Bote von Gott ist hell wie Licht.
Und die Kleidung ist weiß wie Schnee. Der Bote macht das Grab auf.
Und setzt sich hin.
Am Grab sind auch Soldaten. Die passen dort auf.
Jetzt haben sie große Angst. Sie zittern.
Dann sind sie so wie tot.
Christina Ernst:
Es gibt Worte, groß und schwer wie ein Felsbrocken. Wenn sie fallen, halte ich den Atem an. Sie machen mich starr und still. Mit solch einem Wort beginnt unsere Geschichte: Jesus ist tot.
Zwei Frauen gehen zum Grab. Sie sagen kein Wort. Sie sind still. Sie haben Angst vor den römischen Soldaten vor dem Grab. Und vielleicht haben sie auch Angst davor, Jesus tot zu sehen, Angst davor, richtig zu verstehen, dass Jesus gestorben ist.
Manche Worte sind schwer wie ein Felsbrocken. – Ich bin blind. Das ist auch so ein Wort. Immer wieder erlebe ich, wie anderen der Atem stockt, wenn ich es ausspreche, wie ein Gespräch für einen Moment abbricht. „Ich bin blind“, das löst oft Unsicherheit aus. Vielen macht es Angst, sich vorzustellen, wie das ist, blind zu sein. Vielleicht denken sie: ständige Dunkelheit. Hilflosigkeit. Was für Lebensmöglichkeiten würden mir bleiben, wäre ich blind? Und wie gehe ich mit einer Person um, die mich nicht sehen kann? Angst davor, etwas falsch zu machen.
Immer wieder erlebe ich es aber auch anders. Da ist diese Hemmschwelle und Unsicherheit vor allem in meinem Kopf. Da bin ich es, die Angst hat, Angst davor, bei meinem Gegenüber eine Unsicherheit zu spüren. Ich gehe davon aus, dass da eine Hemmschwelle zwischen uns sein wird, sobald meine Behinderung zur Sprache kommt. Das ist dann mein Vorurteil. Ich merke: Gern tue ich so, als ob ich ganz locker und frei dazu stehen kann, dass ich blind bin. Aber dann stellt sich heraus, dass ich selbst problematisch mit meiner Behinderung umgehe, dass ich Angst vor Zurückweisung habe oder davor, als „die Blinde“ gesehen zu werden, nicht als blinde Frau oder als Christina. Und dann bin ich es oft selbst, die still und irgendwie starr wird.
Zwei Frauen machen sich auf den Weg, um ihre Erstarrung zu lösen. Mutig, stark und beherzt gehen sie auf ihre Angst zu. Auch auf die römischen Soldaten, die das Grab bewachen. Dann setzt sich die Welt in Bewegung: Die Erde bebt und bewegt sich. Es wird laut und hell. Der schwere Stein rollt zur Seite. Das Grab steht offen. Ein Bote Gottes erscheint. Und die römischen Bewacher erstarren, nun sind SIE wie tot. Angst und Erstarrung haben die Seiten gewechselt.
Ich kann mir gut vorstellen, eine dieser beiden Frauen zu sein. Denn ich bin eine, die sich einer Herausforderung eher stellt und auf sie zugeht, als sie zu verdrängen. Meine Erfahrung ist: Mit jedem Schritt werde ich stärker. Ich komme ins Handeln, bin nicht mehr ohnmächtig und erstarrt. Wo ich konkret benennen kann, was genau mir Angst macht und warum, da wird es leichter. Je konkreter die Angst, desto besser finde ich Wege, mit ihr umzugehen. Das ist auch mit meiner Behinderung so: Wo ich mit Menschen in gutem Kontakt bin, fühlt es sich leicht und unbeschwert an. Sie stellen mir Fragen, ich erkläre meine Situation. Und vielleicht gibt es auch gar nicht viele Fragen an mich bezogen auf meine Blindheit. Vielleicht reden wir viel lieber über einen geplanten Urlaub oder ein gemeinsames Hobby.
In der Ostererzählung passiert noch mehr: Gott selbst greift ein. Endlich! Er hat nicht verhindert, dass Jesus gekreuzigt wurde und starb. Jetzt endlich zeigt sich: Gott ist da. Er lässt seinen Sohn und er lässt uns nicht im Stich. Er nimmt uns unsere Angst nicht ab. Er erspart uns nicht, dass wir in unserem Leben oft schwere Wege gehen. Aber dort, wo wir ihn am meisten brauchen, ist er da. Hier rollt er den Grabstein beiseite und lässt die Welt erzittern.
Sarah Döbler:
Trauer. Verzweiflung. Angst. Das sind häufig die Gefühle, die beim Tod eines geliebten Menschen in uns toben. Hinzukommen Fassungslosigkeit und Wut, wenn diese Person durch äußere Gewalt aus dem Leben gerissen wird. Auch die beiden Frauen in der Matthäus-Erzählung werden mit diesen Gefühlen zu kämpfen haben, als sie sich auf den Weg zum Grab machen. Die Ereignisse der vergangenen Woche sind ihnen noch lebhaft vor Augen. Proteste auf den Straßen, römische Sicherheitskräfte überall und am Ende steht der Tod Jesu am Kreuz. Gut sichtbar für alle - zur Mahnung, sich nicht gegen die Regierung aufzulehnen und sich der Mehrheitsgesellschaft zu fügen.
Die Soldaten vor dem Grab stehen für die römische Besatzungsmacht. Sie sollen für Recht und Ordnung sorgen. Besonders nach dem gewaltsamen Ende der Hoffnungsbewegung, die mit der Person Jesu durch Land und Gesellschaft zog. Aber auch die Soldaten bleiben von den umwälzenden Ereignissen nicht verschont. Sie werden von der Erschütterung, die der Tod Jesu nach sich zieht, in Schockstarre versetzt. Matthäus möchte mit seinen Beschreibungen zeigen: Selbst die starke Besatzungsmacht ist plötzlich machtlos über die Folgen ihrer Handlungen.
Was Matthäus hier beschreibt, klingt für uns wie eine Filmszene aus Hollywood. Große Gefühle in starke Bilder gesetzt. Und doch sind sie für Menschen wie mich heute aktueller denn je. Menschen wie mich – das meint lesbische, schwule, a- und bisexuelle, trans* und nichtbinäre Personen. Wir, die aufgrund ihrer sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt am Rande der Gesellschaft wandeln, können uns gut in die beiden Frauen hineinversetzen. Denn Frauen waren den Männern zur Zeit Jesu nicht gleichgestellt und sind es bis heute leider immer noch nicht. Mit Jesus kam jedoch Hoffnung auf, dass sich Gesellschaft und Politik für sie zum Besseren wandelt. Die Sehnsucht nach einem freien Leben ohne Angst und Fremdbestimmung.
Ähnlich hoffnungsvoll haben sich die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre auch für uns, für die queere Gemeinschaft, angefühlt – die Einführung der sogenannten Ehe für alle 2017, letztes Jahr das reformierte Selbstbestimmungsgesetz oder auch die Vorschläge zur Regelung von Verantwortungsgemeinschaften. Aber mit Blick auf Trumps Feldzug gegen Minderheiten in den USA können wir schon jetzt sehen, was uns mit dem gegenwärtigen Erstarken rechter Ideologie in Deutschland bevorsteht. Wir spüren und fühlen sie bereits jetzt - die Angst, Fassungslosigkeit und Wut vor zunehmender Gewalt und Diskriminierung gegen uns, während Gesellschaft und Politik in Schockstarre gefallen zu sein scheinen.
Lied: Und ein neuer Morgen (auch: Herr, du bist die Hoffnung; Freitöne; EG+ 145)
2. Block: „Kommt, seht. Das Grab ist leer!“ (Matthäus 28,5-7)
Bibeltext:
Dann sagt der Bote von Gott den Frauen:
Habt Mut!
Ich weiß: Ihr sucht Jesus. Und ihr denkt: Jesus ist tot.
Doch Jesus lebt wieder. Er ist auferstanden:
So wie Jesus es euch sagte. Kommt! Seht: Das Grab ist leer.
Und der Bote von Gott sagt:
Jetzt geht schnell.
Geht zu den Freunden von Jesus. Sagt es den Männern und Frauen:
Jesus lebt.
Geht dann alle in die Gegend von Galiläa. Dort ist Jesus.
Sarah Döbler:
Trauer. Verzweiflung. Angst. Diese Gefühle kennen wir als queere Menschen nicht nur mit Blick auf aktuelle Entwicklungen in Politik und Gesellschaft. Wir erleben sie bei jedem Outing-Moment. Ein Outing bedeutet, dass ich aktiv meinem Gegenüber von meiner Sexualität oder geschlechtlichen Identität erzähle, weil ich darin anders als die Mehrheitsgesellschaft bin.
Von außen seht ihr, liebe Kirchentagsgäste, mir vielleicht nicht direkt an, dass ich lesbisch bin. Erst wenn ich mich klar dazu bekenne, könnt ihr sehen, wer ich wirklich bin. Dieses Outing ist kein einmaliges Ereignis in meinem Leben, sondern findet immer wieder aufs Neue statt. Jedes Bekenntnis zu mir als lesbische Frau gegenüber anderen Menschen ist begleitet von Angst vor Ablehnung, Angst vor herabwürdigenden Kommentaren und auch Angst vor Gewalterfahrungen. Das Gefühl der Trauer kommt hinzu, wenn durch mein Outing Bekanntschaften zerbrechen. Manchmal herrschen auch Wut, Verzweiflung und Fassungslosigkeit vor, wenn ich von anderen Outingerfahrungen höre. Zum Beispiel von einer Jugendlichen, die von ihren Eltern aufgrund ihres sexuellen Anderssein aus dem Elternhaus geworfen wurde. Die Begründung: es passe nicht zum christlichen Glauben. Als lesbische Theologin kann ich sagen: doch, das passt.
In der Matthäuserzählung durchlaufen die zwei Frauen auch eine Art Outingprozess. Sie erwarten, mit der harten Realität konfrontiert zu werden, dass Jesus tot im Grab liegt und ihr normales, fremdbestimmtes Leben ohne Veränderungen einfach weitergeht. Vielleicht haben sie auch Angst, was die Soldaten über sie oder den Toten sagen werden; ob Spott und Beleidigungen geäußert werden. Doch Gott sendet einen Boten zu den Frauen mit einer Botschaft, die alles verändert. Das Grab ist leer, weil Jesus von den Toten zurückgekehrt ist. Das Unmögliche ist wahr geworden: Jesus ist zum Christus geworden. Die Frauen können sich davon selbst überzeugen, indem der Bote ihnen das leere Grab zeigt. Mit dieser Einsicht werden sie zurück zum Unterstützerkreis Jesu geschickt. Die Frauen sollen vor allen bekennen, dass Jesus lebt. Jesus hat sein Coming Back von den Toten, während die Frauen ihr Comingout als erste Christinnen haben.
Das Besondere bei Matthäus ist, dass die Frauen Unterstützung von außen bei diesem Prozess bekommen. Sie müssen ihn nicht alleine durchleben, sondern haben einen göttlichen Beistand. Dieser spricht ihnen Mut zu und spendet dadurch Trost. Auch heute hilft es Menschen wie mir auf Unterstützung und Zuspruch zu stoßen, wenn sie sich vor der Welt als sie sich selbst zu erkennen geben. Dabei reicht es oftmals schon aus, wenn ihnen dabei gesagt wird: Hab Mut! Komm, sieh selbst. Du bist gut so wie du bist!
Christina Ernst:
Du bist gut so, wie du bist. Du bist geliebtes Gotteskind und musst nichts tun, nichts sein, damit Gott dich liebt. Mit der bedingungslosen Liebe von Gott im Rücken kannst du mutig, stark und beherzt in die Welt hinausgehen, kannst dort Liebe spüren und deine Liebe schenken.
Ich erinnere mich an eine Situation an dem Tag meiner Einschulung in die erste Klasse. Meine Eltern und ich standen am Ende des Vormittags mit meiner neuen Klassenlehrerin zusammen. Sie sagte: „Nun versuchen wir es mal mit dir und sehen, wie du dich in den nächsten zwei Jahren so machst. Wenn du im Unterricht gut mitkommst, darfst du hierbleiben.“ Ich wusste: Eigentlich muss ich in die Blindenschule gehen. Es ist nicht selbstverständlich, dass ich gemeinsam mit meinen Kindergartenfreunden hier auf diese Schule in unserem Dorf gehen darf. Ich muss mir das hier verdienen. Wenn ich nicht gut genug bin, werde ich weggeschickt.
Das hat sich seitdem tief in mir verankert. Mir fiel das Lernen immer leicht. Aber ich hatte auch immer diesen Leistungsdruck in mir. Schon eine Drei erschien mir nicht gut genug zu sein. Tatsächlich wurde während meiner Schulzeit trotz Bestnoten von mir immer wieder neu diskutiert, ob ich auch weiterhin an den Regelschulen bei uns am Ort bleiben darf.
Immer wieder wurden Bedenken geäußert, Bedingungen gestellt. Irgendwie war ich nie gut genug. – Erst viel später ist mir klar geworden, wie tief sich dieses Gefühl bei mir eingebrannt hat. Und ich denke: Viele Kinder und viele erwachsene Menschen machen ähnliche Erlebnisse. Menschen mit Migrationsgeschichte zum Beispiel. Gerade aktuell hören sie wieder: „Wir wollen euch nur hier in Deutschland haben, wenn ihr gut genug seid, wenn wir euch brauchen können, wenn ihr euch anstrengt.“ Sie hören auch: „Du hast dich angestrengt, du hast die deutsche Staatsangehörigkeit bekommen. Aber du weißt: Du kannst sie auch wieder verlieren, wenn du Ärger machst.“
Ich glaube, vielen Menschen geht es auch in ihren Freundschaften und in ihren Partnerschaften so: Bin ich gut genug, dass er bei mir bleibt? Habe ich ihr genug zu bieten? Wird sie noch zu mir halten, wenn ich zugebe, dass mir der Alltag über den Kopf wächst? Und liebe ich sie eigentlich oder will ich nur nicht allein sein?
Habt Mut! Glaubt an eure Liebe zu Jesus, dem Mann, der vor wenigen Tagen lächerlich gemacht und grausam ermordet wurde. Die meisten werden sagen: Wir haben ihn klein gekriegt, er ist auf ganzer Linie gescheitert. Ihr denkt: Jesus ist tot. Doch Jesus lebt wieder. Er ist auferstanden: So wie Jesus es euch sagte. Ihr wisst: Er hat aus Liebe sein Leben gegeben. Er liebt euch ganz und gar und auch mit den Seiten, die ihr selbst an euch nicht mögt. Seine Liebe ist die Liebe Gottes. Diese Liebe bleibt für immer und ewig, egal was ist, was du tust oder lässt, was andere tun, sagen oder wo sie schweigen. Die Liebe Gottes ist stärker als alles, stärker als der Tod. Mit diesem Glauben kannst du dich deinem Leben neu zuwenden.
Lied: Du bist ein Gott, der mich anschaut (Freitöne 1)
3. Block: „Habt Mut!“ (Matthäus 28,8-10)
Bibeltext:
Die Frauen haben Angst.
Und sie freuen sich auch sehr:
Denn Jesus lebt.
Schnell gehen die Frauen los.
Den Freunden von Jesus wollen sie alles erzählen: Den Männern. Den Frauen. Allen.
Auf dem Weg treffen die Frauen Jesus. Jesus grüßt sie.
Die Frauen knien vor Jesus. Sie fassen seine Füße an. Und Jesus sagt:
Habt Mut!
Geht zu den Freunden:
Die sind für mich wie Geschwister. Sie sollen nach Galiläa gehen.
Dort sehen sie mich.
Sarah Döbler:
Angst und Freude - beides gleichzeitig fühlen die Frauen, als sie die Nachricht über Jesu Auferstehung hören. Vielleicht haben sie Angst davor, was nun alles auf sie zukommen mag. Vielleicht haben sie auch Angst davor, dass ihnen – zwei Frauen – diese wundervolle Nachricht nicht geglaubt wird. Aber auch Freude erfüllt sie. Sie werden ihren totgeglaubten Sohn und Freund wiedersehen. Die Hoffnung auf Veränderung ist doch noch nicht gestorben. Die Hoffnung auf ein neues Leben hat überlebt.
Die Frauen wissen, es liegt nun an ihnen, diese Hoffnung weiterzutragen und für eine bessere Zukunft einzustehen. Sie wissen, dass sie nun eine große Verantwortung besitzen. Doch sie wissen auch, dass sie das nicht alleine schaffen werden. Sie brauchen eine Gemeinschaft, denn nur gemeinsam haben sie die nötige Kraft und Stärke, eine ganze Gesellschaft zu bewegen. Sie machen sich also auf den Weg.
Auch wir – lesbische, schwule, a- und bisexuelle, trans* und nichtbinäre Menschen – haben immer noch die Hoffnung, dass es für uns eine gute Zukunft geben wird. Eine Zukunft, in der niemand mehr Angst vor einem Outing haben muss. Eine Zukunft, in der Politik und Gesellschaft aus der Schockstarre aufwachen und uns als gleichberechtigte Mitglieder behandeln. Doch wir wissen, dass es auch auf uns selber ankommt. Wir müssen auf unsere Situation aufmerksam machen und gleichzeitig dabei hoffnungsvoll bleiben, dass es noch nicht zu spät ist. Das Grab ist leer und die Zukunft steht uns offen bevor. Wir wissen um die Verantwortung, für eine bessere Zukunft einzustehen und uns dabei Hilfe und Unterstützung zu suchen. Nur gemeinsam schaffen wir eine Veränderung, die allen Minderheiten und damit der gesamten Gesellschaft zu Gute kommt. In der queeren Gemeinschaft bezeichnen wir Menschen, die selber nicht zur queeren Gemeinschaft gehören, uns aber unterstützen, als Allys – als Verbündete.
Die Frauen in der Matthäuserzählung suchen sich Verbündete bei der Anhängerschaft Jesu. Sie wissen noch nicht, ob ihnen zugehört und geglaubt wird. Sie gehen dennoch mutig voran und finden auf ihrem Weg einen Lichtblick in der Begegnung mit Jesu. Dieser Lichtblick schenkt ihnen Mut und Hoffnung.
Liebe Kirchentagsgäste und allen queeren Menschen unter Euch, ich wünsche Euch solche Lichtblicke auf Euren Wegen. Heute und morgen auf dem Kirchentag, aber auch für die weitere Zukunft. Habt Mut! Seht, das Grab ist leer und unsere Zukunft steht uns offen bevor. Gebt diese Nachricht weiter, sammelt Verbündete und geht offen, mutig und beherzt voran.
Christina Ernst:
Jesus, der Herr, ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden. Die Evangelien und der Apostel Paulus erzählen, wie die Anhänger und Freunde Jesu diese Botschaft diskutieren, wie sie zweifeln, um Jesus trauern. Hoffnung und Aufbruchsstimmung breiten sich dort in ihnen aus, wo sie füreinander da sind.
Die beiden Frauen begegnen dem auferstandenen Christus. Sie können seine Füße berühren und er spricht zu ihnen. Andere erzählen davon, dass er die Wunden zeigt, die seine Kreuzigung hinterlassen hat. Wunden am ganzen Körper, Thomas darf sogar seine Finger hineinlegen. Der Auferstandene ist kein strahlender Held, der unversehrt durchs Leben geht. Wir glauben an ihn, gerade weil er ein verwundbarer Mensch ist, weil sein Leben so zerbrechlich ist wie unser Leben.
In Deutschland leben über 11 Millionen Menschen mit Behinderungserfahrungen. Wir alle machen irgendwann die Erfahrung, dass wir an Grenzen stoßen, die wir mit allem wissenschaftlichen Fortschritt nicht überwinden können. Eine Krankheit, ein Unfall können sehr schnell unser Leben verändern. Tagtäglich sehen und hören wir, wie Menschen einander schreckliches Leid zufügen, manchmal betrifft uns das auch selbst in unseren Familien oder im Freundeskreis. Viele Verletzungen sind nicht direkt sichtbar. Ich glaube, keine Biografie kommt ohne Narben aus.
Von Jesus von Nazareth werden viele Wunder berichtet. Er hat mitreißende Predigten gehalten, mit Gelehrten diskutiert und sich politisch engagiert. Im Zentrum unseres Glaubens stehen aber die Geschichte seines Todes und seiner Auferstehung. - Ich wünsche mir, dass wir einander mehr davon erzählen. Ich selbst spüre so viel Lebenskraft und Menschlichkeit gerade dort, wo wir uns verletzlich zeigen, wo wir Herausforderungen miteinander teilen. Dort, wo wir unsere Trauer und Angst zeigen, können wir einander auch beistehen, uns trösten, uns gegenseitig Mut machen, unbändige Freude und tiefes Glücksgefühl miteinander teilen. Das eine ist nicht ohne das andere zu haben. So wünsche ich uns allen den Mut, unser Herz sprechen zu lassen, den Mut, uns verletzlich zu zeigen, den Mut zu lieben, ohne dabei auf eine Leistung oder einen Nutzen für uns zu schauen. So werden wir Gottes Gegenwart und Segen in unseren Beziehungen, in unserem Leben spüren.
Abschluss
Wir gehen nun weiter in diesen Tag, in Begegnungen auf diesem Kirchentag mit dem Segen Gottes. Bevor wir gleich gemeinsam singen, lade ich Sie und euch ein, miteinander zu beten. Wem es möglich ist, kann dazu aufstehen. Wir begleiten unser Gebet mit Gebärden. Sarah macht sie vor. Macht gern mit!
Christina:
Gott, wir beten heute zu dir (Hände nach oben)
Wir sehen dich nicht, (Hände vor die Augen)
aber du hörst uns zu. (Hand hinters Ohr)
Sarah:
Lass Menschen einander mit Liebe (mit Händen ein Herz formen)
und Achtung begegnen.
Wir danken dir, (mit Händen ein schützendes Dach formen)
denn du hast uns vielfältig geschaffen,
jede und jeden einzigartig und wunderbar.
Christina:
Wir sagen dir danke für alle Menschen, (Hände zum Dank in einander)
Die ein Stück unseres Lebensweges mit uns gehen.
Wir bitten dich,
schenke uns Frieden. (Peacezeichen)
Gott behüte uns auf unseren Wegen und segne unsere Beziehungen, dass wir einander annehmen, wie er uns annimmt. Amen.
Lied: Mutig, stark, beherzt (Kirchentagsliederheft 1)
Text wie von Autor/in bereitgestellt. Es gilt das gesprochene Wort.
Veröffentlichung nur mit Genehmigung der Verfasserin/des Verfassers.