Susanne Paul, Landespastorin für die Arbeit mit Frauen, Hannover
Liebe Kirchentagsbesucherinnen und -besucher,
11 Minuten habe ich jetzt, um nach diesem wunderbaren Einstieg darüber zu sprechen, wie Auferstehung theologisch gesehen wurde und wird. Eine Herausforderung – ich werde mein Bestes geben.
Jesus wurde gekreuzigt und ist gestorben, ist auferstanden aus dem Tod, Gott hat ihn auferweckt. Und wir werden am Jüngsten Tag, wenn Gott den Himmel und die Erde neu macht, auch auferstehen. Das wurde das Bekenntnis der christlichen Gemeinden.
Und für dieses Bekenntnis gab und gibt es immer noch ein großes Spektrum an Deutungen.
Da sind die, die sagen, dass der Glaube an die leibliche Auferstehung bis heute ein auch historisch gut begründeter Glaube sei. Argumente dafür seien die Berichte vom leeren Grab und die Tatsache, dass die Auferweckung im Judentum eine Hoffnung für das Ende der Welt sei. Erst wenn Himmel und Erde vergehen, würden, so die jüdische Vorstellung, sich die Gräber öffnen und die auferweckten Toten in das himmlische Jerusalem einziehen. Somit wäre die Auferweckung eines Einzelnen eine besondere singuläre Erfahrung, die nicht aus schon bestehenden Vorstellungen ableitbar sei.
Dann sind da die, die sagen: historisch müssen wir uns an der leiblichen Auferstehung nicht abkämpfen, denn die Auferstehung ist doch biblisch viel mehr als ein historisches Ereignis. Und da gehört die Leiblichkeit der Auferstehung unbedingt dazu. Gott will die Welt, will unser Leben verändern, neu machen. Und unser Leben gibt es nur mit unserer Leiblichkeit. Wenn wir diesen Glauben aufgeben, was bleibt dann noch für das konkrete menschliche Leben und Leiden?
Andere sagen: wir brauchen weder das leere Grab noch die leibliche Auferstehung. Im Neuen Testament gibt es vielfältige Vorstellungen zur Auferstehung. In dieser Vielfalt könne man weiterdenken und müsse die transformative Kraft Gottes nicht in bestimmte Vorstellungen der Auferstehung zwingen.
Die seit 1960 aufkommenden Befreiungstheologien setzen sich dann auf eine andere Spur. Sie fragten sich, was für eine Bedeutung die Auferstehung nach ihrem Tod für sie hätte. Schließlich lebten sie jetzt in Unterdrückung und Unrecht. Und sie lasen die biblische Verheißung von einem Leben in Fülle für alle als Hoffnung für ihr Leben, als Aufforderung zur Solidarität mit allen, die jeglicher Form von Unterdrückung, Ausbeutung und Degradierung widersprachen. In Ländern, in denen rund 90% der Bevölkerung in größter Armut lebten, war es schwer zu verstehen, warum die Kirchen sich mit den 10% der Reichen und der mächtigen Oberschicht verbündeten. So wandelte sich Auferstehung für sie von einem Inhalt, den man glauben musste, in einen Aufbruch zu einem gerechten Leben, in etwas, das sie ganz real erfuhren und dass ihr Leben veränderte. Dieses Verständnis von Auferstehung ließ eine Einteilung in „Davor“ und „Danach“ nur noch schwer zu, Auferstehung war hier eine prozesshafte Veränderung im Leben – schon jetzt!
Daran knüpfte die Feministische Theologie an. Auch sie kritisiert die Aufassung der Auferstehung als ein jenseitiges Ereignis. In den Mittelpunkt der Diskussion rückt die Frage nach der Erfahrbarkeit von Auferstehung und ihren Konsequenzen für das Leben in dieser Welt. Frauen sagten: „Es geht darum, wieder so von Auferstehung zu reden, dass spürbar wird: sie hat etwas mit unserem Leben zu tun, mit unseren Erfahrung der Verletzlichkeit und mit den Grenzen, die uns die patriarchal geprägte Gesellschaft setzt, an die wir stoßen und die wir überwinden wollen.“
Und Theologinnen wie Ulrike Metternich, Luzia Sutter-Rehmann und Luise Schottrof haben genauer auf die beiden griechischen Worte geschaut, die mit Auferstehung und Auferweckung übersetzt werden. Sie entdeckten, was zwei kleine Buchstaben – e und r – in einem Wort und seinem Verständnis verändern können.
Wo in unseren Bibelübersetzungen „auferstehen“ oder „auferweckt“ steht, steht im griechischen „anhistemi“ oder „egeiro“: „aufstehen, aufwecken“. Das sind Alltagsworte, die tagtäglich nutzt wurden. „Steh auf! Wach auf!“ Und sie weisen dorthin, wo ihr Ort ist: im Leben der Menschen, in ihren Erfahrungen und Erlebnissen.1
Die Schwiegermutter des Petrus steht genauso auf wie die Tochter des Jairus oder der Vater nach dem Essen oder Jesus. Und wenn Menschen morgens geweckt werden, ist es dasselbe Wort, das davon erzählt, dass Gott Jesus aufgeweckt hat.
Die beiden kleinen Buchstaben – er – ziehen so eine deutliche Grenze zwischen dem alltäglichen Leben und dem Ereignis der Auferstehung. Sie erwecken den Eindruck, als hätte dieses Geschehen nichts mit unserem alltäglichen, ganz normalen Leben zu tun, in dem auch wir aufstehen und aufgeweckt werden. So wird Auferstehung mit diesem sprachlichen Knif zu etwas uns Entzogenem, etwas Jenseitigem. Jesus ist auferstanden und wir hofen darauf, dass auch wir auferstehen – in der Ferne, am Ende unseres Lebens, zu einer Zeit, für die wir keine Bilder und keine Worte haben.
Ivonne Gebara, eine brasilianische Theologie schrieb dazu: „Es ist, als ob ich mich von einer Müdigkeit ergrifen fühlte bezüglich der traditionellen theologischen Sprache; es ist, als spürte ich die Sterilität in der Diskussion dieser Fragen. Ich weiß nicht recht, was ich suche, aber die rationalistische Sprache in der Theologie scheint immer trockener, hermetischer und unfähiger, die guten Dinge hervorzubringen, die Leute brauchen, um zu leben.“2
Die sozialgeschichtliche Exegese hilft, tiefer in den Alltag der Auferstehungsgeschichten damals zu gelangen und damit auch für die Gegenwart neue Zugänge zu öffnen.
Paulus schrieb keine zeitlose Dogmatik, sondern in einem ganz bestimmten Kontext – als Jude während der römischen Diktatur. Er schrieb an Menschen, die sich im Namen des Mannes versammelten, den die Römer als Aufrührer gekreuzigt haben. In früheren Zeiten schien auch die Kreuzigung Jesu mit den zweien an seiner Seite etwas sehr Exklusives zu sein. Aber Kreuzigungen waren bis ins vierte Jahrhundert hinein grausame Realität, z.B. wurden 6.000 Aufständische entlang der Via Appia von Rom bis Capua gekreuzigt.3 Deshalb: wenn Menschen sich im Namen Jesu versammelten, dann war da eine sehr reale Bedrohung durch das römische Imperium mit all der Angst und Hilfslosigkeit und dem Zorn über das Unrecht, der keinen Ausdruck finden durfte. Aber dann war da die Hofnung auf das Aufstehen: „Gott hat den Tod überwunden und damit auch eurer Macht eine Grenze gesetzt“ Und genau das feierten die ersten Gemeinden bei ihren gemeinsamen Trefen, bei denen sie auch Essen und Trinken teilten. Paulus beschreibt die konkreten Schwierigkeiten, die dabei auftauchten: dass die einen mehr und die anderen weniger hatten, aber nicht gut geteilt wurde. Dass die Gemeinschaft verletzt wurde, weil nicht aufeinander geachtet wurde, sondern nur das eigene Wohlergehen im Blick war. Ihre Gemeinschaft, so Paulus, sollte und konnte anders sein als das Unrecht, das sie umgab, weil Jesus in das Leben aufgestanden war.
Dorothee Sölle beschrieb dies für sich so: Wenn wir an die Auferstehung Jesu glauben, dann geht es nie um uns allein. Dann geht es um Befreiung und Versöhnung. Dann geht es um einen neuen Horizont für die ganze Welt.
Die Ostererzählungen in der Bibel waren einmal eine Botschaft von lebensverändernder Kraft. Die Menschen um Jesus machten sich auf den Weg, wagten neues, setzen fort, was sie mit ihm begonnen hatten. Deshalb darf die Auferstehung Jesu nicht zu etwas gemacht werden, was mit der Welt nichts zu tun hat. Sie ist falsch verstanden, wenn es ihr nur um das individuelle Seelenheil für die geht, die sich zu Jesus zugehörig fühlen, aber gleichgültig gegenüber dem Leiden der anderen bleiben.
In eine ähnliche Richtung gehen heute auch die Gedanken der Black Theology.
Nicht erst seit Sarah Vecceras Buch „Wann ist Jesus weiß geworden?“ fragen sich POCs, wo für sie die heilbringende Kraft einer Botschaft liegt, die von Weißen Menschen zur Begründung von Sklaverei, Ausbeutung und Kolonisation genutzt wurde und wird. Eine Antwort auf diese Frage ist es, die Botschaft des Schwarzen Christus wiederzuentdecken und weiterzuerzählen, der sich gegen die Weißen Patriot*innen und Rassist*innen stellt. Der Glaube an ihn setzt eine transformative Kraft frei, die Hoffnung auf eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung lebendig werden lässt. In der Black Lives Matter- Bewegung, die nach dem Mord an George Floyd durch einen Polizisten entstand, wurde für Theolog*innen wie Kelly Brown Douglas die Wirklichkeit der Auferstehung sichtbar. Es entstand etwas Neues – nicht nur Worte, sondern ein Glaube, der in der Realität eine Hofnung gibt, die im Widerstand lebendig wird. Dabei ist klar: Vieles hat sich schon geändert, doch so viel mehr liegt noch im Argen. Aber der Glaube an das Aufstehen für das Leben gibt über die Zeiten hinweg Menschen die Hofnung und Kraft, selbst für das Leben aufzustehen und so in der Welt ein Zeichen zu setzen, sie zu verändern.4
Für die queere Communitiy ist der auferstandene Jesus eine wichtige Identifikationsfigur. Jesus stirbt, schließt mit etwas Altem ab und steht in eine neue Existenz auf. Seine Narben verweisen auf das Vorher, lassen es sichtbar sein. So verkörpert er Kontinuität und Diskontinuität: er ist immer noch Jesus, aber auch ein anderer. In ihm zeigen sich Endlichkeit und Ewigkeit, Tod und Auferstehung – Gegensätze, die Resonanz in einer Transbiografie finden.5
Neben den Fragen nach dem Aufstehen im Leben bleibt natürlich auch heute noch die individuelle Frage: „was passiert mit den Menschen, die vor uns sterben, was passiert, wenn ich sterbe?“
Die eine Antwort darauf gibt es nicht, Ostern und die Auferstehung werden immer wieder neu gedeutet. Dabei kann es heute kaum mehr um konkrete bildhafte Vorstellungen über das Leben nach dem Tod gehen – dass etwa mein von mir gestaltetes Leben genauso weitergehen kann. Dazu kommt, dass wir nicht im jüdisch- apokalyptische Denken verwurzelt sind und auch die griechischen Vorstellungen von der Unsterblichkeit der Seele eigentlich nicht im Christentum verankert ist. Und gleichzeitig ist der Wunsch groß, doch Bilder für das zu finden, was uns unverfügbar ist. Das führt oft dazu, dass sich der dualistische Blick einschleicht: unser vergänglicher Körper und unsere Seele, die bei Gott aufgehoben ist. Nicht wenige Menschen antworten mit solchen oder ähnlichen Vorstellungen auf die Frage, was für sie Leben nach dem Tod bedeutet.
Gegen die darin implizierte Abwertung des Körpers steht die Erkenntnis, dass wir Menschen leiblich sind, dass wir nicht aufgeteilt werden können in Körper und Geist. Wenn wir lieben, wenn wir trauern, wenn wir glücklich sind, sind wir das ganz: mit Schmetterlingen im Bauch, Tränen in den Augen, bleischweren Gliedern. Und in dieser Leiblichkeit ist schon das Samenkorn der Auferstehung vorhanden. So beschreibt es Claudia Janssen, Professorin in Wuppertal. Sie sagt: „Das Bekenntnis zur Auferstehung „schon jetzt“ bedeutet eine Bejahung der Geschöpflichkeit des aus Erde gemachten Menschen und verweist konkret auf den Körper. Wenn ich meinen gegenwärtigen Körper als Samenkorn begreife, indem der Auferstehungsleib schon als spirituelle Entsprechung vorhanden ist, kann ich mich auch meiner Sterblichkeit stellen. … Auch ein Erniedrigter, durch Krankheit und Gewalt beschädigter Körper enthält die Fülle göttlichen Lebens, das Samenkorn der Auferstehung, das ist seine Botschaft.“6
Die biblischen Zeugnisse über die Auferstehung, die theologischen Einordnungen und Bearbeitungen – sie sind vielfältig und nicht eindeutig. Das hat viele Gründe. Gott ist die Kraft des Lebens und eine Freundin der Vielfalt. Gleichzeitig gilt: so lange Unrecht und Gewalt unsere Welt bestimmen, hängen die Antworten auf die Frage nach der Auferstehung davon ab, aus welcher Position sie gestellt werden.
Aber eine alles verbindende Antwort gibt es doch: Wenn der Glaube daran da ist, dass Gott die Kraft des Lebens und der Liebe ist, die uns im Leben begleitet und hält, herausfordert und aufstehen lässt, dann sagt die Botschaft der Auferstehung doch sehr deutlich, dass diese Kraft auch nicht durch den Tod zerstört werden kann.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, ich bin jetzt ganz gespannt auf die Diskussion auf dem Podium.
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1 Ulrike Metternich: Auf -er-stehung in: Luzia Sutter-Rehmann u.a.(Hg.) Sich dem Leben in die Arme werfen, S. 176
2 Ivone Gebara: Erinnerungen an Zärtlichkeit und Schmerz – Auferstehung vom Alltag des Lebens her denken; in: Luzia Sutter-Rehmann u.a. (Hg.) Sich dem Leben in die Arme werfen, S. 33
3 Das Kreuz – Zeichen des Widerspruchs und der Befreiung, Sendung auf BR 2, file:///C:/Users/user/Downloads/kreuz-138.pdf, abgerufen am 23.4.2025
4 Thorsten Dietz, Fokus Theologie: Welchen Sinn hat Ostern heute? https://fokustheologie.ch/welchen- sinn-hat-die-auferstehung-heute/ abgerufen am 23.4.2025
5 Sonja Thomaier, Gottessohnschaft queer gedacht. Trans*perspektiven auf christologische Konfigurationen in: Maren Bienert/Christina Constanza (Hg.): Familie in Kirche und Theologie. Neue Perspektiven, 2025
6 Claudia Janssen: Leibliche Auferstehung? Zur Diskussion über Auferstehung bei Karl Barth, Rudolf Bultmann, Dorothee Sölle und in der aktuellen feministischen Theologie, in: Paulus. Umstrittene Traditionen – lebendige Theologie. Eine feministische Lektüre, Claudia Janssen/Luise Schottrof/Beate Wehn (Hg.), Gütersloh, S. 98
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