Massenphänomen Flucht

Podium

„Klimapolitik ist die beste Flüchtlingspolitik der Zukunft“ Eine hitzige Podiumsdiskussion in der Nürnberger Messe beim Kirchentag

Über 100 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Tendenz steigend. Das Thema Flucht ist heute relevanter denn je. Immer mehr Menschen treibt es aus der Heimat in ein fremdes Land, in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Dabei sind die Fluchtursachen genauso unterschiedlich wie die Menschen selbst. Egal, ob es die Flucht vor Krieg, Krisen, Gewalt oder Armut ist, oder Menschen aus Ländern wie dem Sudan, aus Syrien, Afghanistan, Irak, Äthiopien, Myanmar, Nigeria oder aus der Ukraine fliehen.

Thema Flucht

Beim 38. Evangelischen Kirchentag steht das Thema Flucht in all seiner Vielschichtigkeit im Fokus und war Thema einer Diskussionsrunde, zu der am Donnerstag, dem 8. Juni, hochkarätige Gäste aus Politik und Gesellschaft eingeladen waren. Am Podium diskutierten Tareq Alaows, Flüchtlingspolitischer Sprecher der Menschenrechtsorganisation ProAsyl sowie Mitglied der Partei Bündnis 90 / Die Grünen; Heinrich Bedford-Strohm, Landesbischof und Vorsitzender des Zentralausschusses Ökum. Rat der Kirchen (ÖRK), Parnian Parvanta, stellvertretende Vorstandsvorsitzende deutsche Sektion Ärzte ohne Grenzen und Tamara Zieschang (CDU), Innenministerin von Sachsen-Anhalt.

„Knastähnliche Flüchtlingslager“

Dabei stand folgende Frage im Vordergrund der Debatte: Wie stehen Kirche und Gesellschaft in der Verantwortung, wenn ernsthaft über eine neue Verordnung zur "Stärkung der Außengrenzen" der EU verhandelt wird?

Die Verordnung zur Stärkung der EU-Außengrenzen sieht nämlich vor, die Geflüchteten direkt an den Außengrenzen in Ungarn, Griechenland oder Italien zu kontrollieren und Geflüchtete mit niedriger Schutzquote direkt ins Mittelmeer zurückzuschicken. Außerdem dürften mit der neuen Verordnung alle Staaten „knastähnliche Flüchtlingslager“ (Parnian Parvarta) bauen, die mit einem dreifachen Stacheldrahtzaun und Ausgangssperre die Flüchtlinge ihrer Freiheit berauben würden.

Einigkeit bestand bei den Diskussionsteilnehmer:innen darüber, dass Geflüchtete aufgenommen werden müssten. Laut Tamara Zieschang gäbe es aber eindeutig große Unterschiede zwischen Wirtschaftsgeflüchteten, politischen Flüchtlingen und Kriegsgeflüchteten.
„22 Prozent haben keinen Schutzgrund, weil sie Wirtschaftsgeflüchtete sind. Weitere 22 Prozent haben keinen Schutzgrund, weil sie über andere Länder angereist sind, in denen sie Asyl beantragen hätten können“, so die Innenministerin.
Die Fluchtursachen müssten bekämpft werden, die Lösung könne nicht darin liegen, Millionen von Menschen in Europa aufzunehmen.
„Ich möchte nicht zusehen, wie Menschen ertrinken“, so Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm.

„Jeder Mensch im Bilde Gottes“

Grünenpolitiker Tareq Alaows setzt sich hingegen für legale Flüchtlingswege ein. Illegale Routen, beziehungsweise das Blockieren von Wegen, führe nicht zu einer Aufhaltung von Fluchtbewegungen, sondern führe zu einer Zunahme von illegalen Fluchten. Außerdem sieht er den neuen Verordnungen der EU kritisch gegenüber und fordert alle auf gegen diese Forderungen zu stimmen. „Als syrischer Staatsbürger bin ich selbst in einem Boot geflüchtet und wünsche diese Erfahrung keiner anderen Person“, sagt er.

Die Debatte beschließt der Landesbischof mit diesen eindringlichen Worten: „Immer wenn wir über Flüchtlinge reden, so sollen wir dies so tun, dass wir dem Menschen, über den wir da reden, in die Augen schauen können, weil wir als Christen der tiefen Überzeugung sind, dass jeder Mensch geschaffen ist im Bilde Gottes.“
Eine inhaltsreiche, hitzige und berührende Debatte geht nach drei Stunden zu Ende.
Flucht betrifft uns alle! Für viele Generationen, vielleicht für immer. Es geht nicht darum, ob wir sie wollen, sondern wie wir damit in Zukunft umgehen.

Autorinnen: Maria Abuter Grebe, Irem Orhan, Clarissa Grygier

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