„Alexa, starte den Gottesdienst!“

Gottesdienst

Deutschlands erster KI-Gottesdienst

„Alexa, starte den Gottesdienst!“ Nicht ganz, aber doch so ähnlich startete der erste KI-Gottesdienst Deutschlands in St. Paul in Fürth. Der Theologe und KI-Künstler Jonas Simmerlein aus Wien ist der Mensch hinter dem Projekt - aber: „Von dem, was sie heute sehen und erleben, kommen rund 98 % von der Maschine.“

Der Gottesdienst, anmoderiert von Jürgen Pelzer vom Diakoniekolleg Bayern, war dann auch komplett digital: Künstlich generierte Avatare in menschlicher Gestalt, auf eine Leinwand projiziert, übernahmen das komplette rund 45-minütige Programm von der Begrüßung der Gemeinde über Fürbitten, Psalmgebet, Glaubensbekenntnis, Predigt und Vater Unser bis hin zum Segen. Selbst die Musik zwischen den einzelnen Elementen war von einer künstlichen Intelligenz komponiert.

Gab es an einzelnen Passagen der KI-Texte auch Gelächter oder Raunen aus dem vollbesetzten Publikum, so war die Gottesdienst-Erfahrung doch spürbar. Ganz ohne Aufforderung standen die Teilnehmenden zum Glaubensbekenntnis und zum Segen auf und sprachen auch Gebete und Psalmen mit, soweit sie der Sprechgeschwindigkeit der KI folgen konnten. Zum Segen gab es murrendes Gemurmel angesichts der KI-Avatare, die etwa bis zur Taille auf der Leinwand abgebildet waren und die Arme stets nach unten hielten: „Ich hätte schon erwartet, dass sie zum Segen die Hände hebt.“

So war das Publikum auch sofort im Austausch: Angeleitet vom Moderator bildeten sich Zweiergruppen, die eifrig über ihre Erfahrungen sprachen, während der Altarraum für die Diskussionsrunde vorbereitet wurde. Die Theologin und Philosophin Anna Puzio, die in den Bereichen Technikanthropologie und Transhumanismus forscht, fand den KI-Gottesdienst eine „coole Sache“. Für sie ist eine wichtige Frage, welche Beziehung wir als Menschen zu künstlichen Intelligenzen aufbauen. Melitta Müller-Hansen, Rundfunkbeauftragte der evangelisch-lutherischen Kirche Bayerns, sah den Gottesdienst kritischer. Sie sagt: „Die Kunst des Sprechens geht verloren“, wenn KIs statt Menschen sprechen. Die Dramaturgie der Predigt fehlte ihr, genau wie eine erkennbare Theologie in den KI-generierten Aussagen. Dadurch würde eine Verflachung und Funktionalisierung des Gottesdienstes stattfinden.

Einig war sich das Podium, dass KI keinen Ersatz für Menschen im Gottesdienst schaffen kann. Wer predigt, einen Gottesdienst leitet, schöpft aus dem persönlichen Erfahrungsraum, während die KI ein Kollektiv von unzähligen Texten von tausenden Menschen als Grundlage nimmt. So kann keine Beziehung zwischen predigender Person und Gemeinde geschaffen werden, die aber essenziell für das Gottesdienst-Erlebnis ist. Ralf Peter Reimann, Internetbeauftragter der Evangelischen Kirche im Rheinland, weist in diesem Zusammenhang auch noch auf einen weiteren Fallstrick hin: Welches Kollektiv ist eigentlich die Grundlage für die KI-generierten Texte? Fehlen vielleicht wichtige Stimmen für ein ausgewogene Meinungsbildung? Die Gefahr, dass fundamentalistische Strömungen hier stärker repräsentiert werden, ist real. Dennoch: „Die Predigt war nicht sehr divers, nicht durchgegendert - aber trotzdem diverser als manche Gottesdienste“, fasste Anna Puzio ihr Erleben zusammen.

Viele Fragen nach Persönlichkeit, nach Körperlichkeit und menschlichen Beziehungen in Bezug auf die Nutzung von KI im Kontext von Spiritualität bleiben erst einmal offen. Doch der KI-Gottesdienst als Experiment bot einen spannenden Einblick in das, was technisch möglich ist - und in die Grenzen des Mach- und Sinnvollen. Zum Schluss bat Jürgen Pelzer ChatGPT um einen Segen. Die Antwort: „Natürlich kann ich euch einen Abschlusssegen sprechen. Bitte beachtet jedoch, dass ich als KI-Modell nicht über eigene religiöse Überzeugungen oder Autorität verfüge.“

Nahome Pischl, Nadine Sanoll, Alicia Martin Gomez, Clarissa Grygier

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