Mut zum Diskurs

Vortrag

Kirchentagsgeneralsekretärin Kristin Jahn hat in Wuppertal über christliche Friedensvorstellungen zwischen Waffenlieferungen und Rechtfertigungstheologie diskutiert.

Knapp ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine hat die Generalsekretärin des Kirchentages, Kristin Jahn, bei einem Besuch in der Gemarker Gemeinde in Wuppertal das schwierige Ringen um Frieden aus christlicher Perspektive reflektiert.

"Frieden heißt, ich versöhne mich damit, dass du anders bist als ich", erklärte Jahn in ihrem Gastvortrag. "Frieden ist nicht Harmonie, sondern das versöhnte und bewusste Beieinander von Menschen mit differenten Positionen." In Kirchengemeinden drohe dieses Grundverständnis für Debatten und Vielfalt verloren zu gehen - dabei wären sie die letzten Orte in einer sich immer mehr ausdifferenzierenden Gesellschaft, in denen der Diskurs über das Gemeinsame geführt werden könne. "Es droht die große Gleichmacherei, der Rückzug ins kleine Glück und Gott als Bestätigung. Und als wäre dies im Raum der Kirche nicht schon Verlust genug, gibt es in unserem Land auch noch Parteien, die bedienen ein Denken, das ausgrenzt und abgrenzt. Sie machen Feindbilder groß, suchen Schuldige und propagieren eine billige Form von Frieden."

Sie sei Theologin, keine Sicherheitsexpertin oder Politikerin, betonte die Generalsekretärin mit Blick auf die Debatte um Waffenlieferungen in die Ukraine. "Es gibt Theologen, die vertreten die Position, sich lieber erschießen lassen, als zur Waffe zu greifen. Aber niemand von uns steht selbst an der Front. Was ich im Augenblick des Angriffs tun würde, weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass Gott uns alle erschaffen hat - auch Putin und Selenskyj - und dass er das letzte Wort haben wird."

Jahn erklärte, es sei für die Kirche nicht ausreichend, sich im Ukrainekonflikt hinter dem Tötungsverbot im Fünften Gebot zu verstecken. Es gelte Grenzen zu setzen, Grenzen zu sichern und nicht zuzusehen, wie ein Regent im Namen seines totalitären Weltbildes ein anderes Land zerstöre. "Aber dann gilt auch, alles dafür zu tun, damit ein Gespräch über Schritte hin zum Frieden, zum Beieinander des Differenten, wieder möglich wird. Es braucht beides: die klare Kante und die Bereitschaft zum Dialog." Dieser Dialog könne nur ohne Feindbilder und mit einer klaren Trennung zwischen Tat und Person geführt werden, betonte sie. "Alles andere hieße, mit in den Kriegsgraben zu springen und genauso zu agieren wie Putin."

Teilen